Manfred Hippe, 60 Jahre alt, ist es gewohnt, mit wenig auszukommen. Er lebt in einem Zelt, mitten in Halle, aber etwas versteckt vor neugierigen Blicken. „Man muss das nehmen, was man bekommt. Damit bin ich dann auch zufrieden.“ Das Hilfspaket aus der Wärmestube verschwindet im Rucksack. Dann fragt er noch nach Wundsalbe. Und er braucht Futter für seine Katze, um die er sich liebevoll kümmert. Die lebt mit ihm im Zelt. Manchmal übernachtet auch sein 30jähriger Sohn Daniel bei ihm. „Ich habe ja zwei Zelte.“ Und Thomas W., der nicht erkannt werden will, kommt regelmäßig zu Besuch.
Thomas W., 55, lebt im Haus der Wohnungslosenhilfe in Halle. Dort gibt es Strom, mit dem er für Manfred Hippe das Handy aufladen kann. Natürlich ist durch die Corona-Krise der Alltag komplizierter geworden. Die Wärmestube im Steinweg ist kein Ort mehr, an dem sich arme Menschen treffen und austauschen können. Gemeinsam Essen und Kaffeetrinken, Alltagssorgen teilen, Freundschaften pflegen – das gibt es derzeit nicht. Die Eingangstür ist nun ein Schalter, Tisch und Schutzschild schaffen Abstand. Die Hilfspakete werden gut verpackt herausgereicht. Die Dusche und die Waschmaschine können aber weiter genutzt werden. Dann betreten die Nutzer einzeln den Sanitärbereich.
Heiko Wünsch, Sozialarbeiter in der Wärmestube, hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen alles so angepasst, dass die Kontaktbeschränkungen eingehalten werden. Die soziale Hilfe ist nun eine andere. Oft gibt er Unterstützung im Kontakt mit Behörden, Wohnungsgesellschaften, Arztpraxen oder Bildungsträgern. Das ist jetzt alles komplizierter. Wo die Wege früher schon lang waren, enden sie derzeit oft im Nirwana durch Bearbeiter im Homeoffice, unbestimmte Terminverschiebungen und unverbindliche Telefonate.
Thomas W. hatte auf eine Verlängerung seiner Maßnahme vom Jobcenter gehofft Spielzeug aus Holz produzieren für die Kindergärten der Stadt. Die Maßnahme wurde abgesagt. Jetzt fehlen W. 200 Euro monatlich und auch die Perspektive, wieder Fuß zu fassen. Er wünscht sich, dass er zumindest im Mai seinen Bruder in Meiningen besuchen kann.
Daniel Hippe hatte den Traum, einmal Koch zu werden. Diesen Traum hat er schon vor langer Zeit aufgegeben und auch ein Bildungsangebot zur Berufsorientierung abgebrochen. Jetzt ist sein größter Wunsch, seine Probleme mit der Krankenkasse und seiner Chipkarte bald zu klären. Er klagt über starke Kopf- und Zahnschmerzen. Auch das linke Handgelenk müsste sich mal ein Arzt ansehen. Er würde gern eine Arbeit finden, etwas zu Hartz IV dazuverdienen oder gar vom eigenen Einkommen leben.
Manfred Hippe macht sich wegen Corona keine Sorgen. Auch das Leben im Zelt – selbst im kalten Februar – ist für ihn kein Problem. Doch er träumt von einer eigenen Wohnung mit Balkon. „Da baue ich dann ein Netz ein, damit meine Katze draußen sein kann.“ Und natürlich würde er die Wohnung gern mit eigenem Einkommen finanzieren. Der gelernte Baufacharbeiter hat vor drei Jahren noch im Gerüstbau gearbeitet. Er muss wohl seine Pläne vertagen. Der Termin mit der Wohnungsgesellschaft wurde abgesagt. Das Zelt mitten in der Stadt bleibt seine Zuflucht, der Hilfeschalter der Wärmestube ein Anker in dieser Krise.

Quelle(Bild und Text): Diakonie Mitteldeutschland