Im Zuge der Lockerungsmaßnahmen und unter strenger Einhaltung der Abstands- und Hygienemaßnahmen sind nun die so wichtigen persönlichen Kontakte wieder möglich. Die Betroffenen sind froh, wieder in die Beratungsstelle kommen zu dürfen. In der Zwischenzeit gab es viele Rückfälle, viele Notsituationen wie Jobverlust, Probleme mit Ämtern und familiäre Konflikte, viel Unsicherheit und Überforderung. Und diese Ausnahmezustände führen bei Personen, die in der Vergangenheit in schwierigen Situationen gerne Alkohol, Medikamente, Drogen, Medienkonsum oder Glücksspiel als „Hilfsmittel“ eingesetzt haben zu einer kritischen Steigerung des Konsums. Eine im Juni im Ärzteblatt veröffentlichte Studie (Deutsches Ärzteblatt, Jg. 117, Heft 25, „Die COVID-19-Pandemie als idealer Nährboden für Süchte“) kann einen ersten Einblick geben. Darin gaben 37,4% der befragten Personen an, dass sie seit den Ausgangsbeschränkungen mehr Alkohol als zuvor konsumierten. Auch bei den Rauchern gaben 42,7% an, seitdem mehr zu rauchen als zuvor. Insgesamt deuten diese Beobachtungen darauf hin, dass die Corona-Pandemie und ihre Folgen zu einer Konsumsteigerung in der Allgemeinbevölkerung führen. In der Suchtberatungsstelle im Weidenplan 4 wurde direkt nach der Öffnung für persönliche Kontakte ein Aufholbedarf spürbar. Bekannte Klienten brauchten dringend Unterstützung bei der Bewältigung von Rückfällen, erhöhter psychischer Belastung und Krisensituationen, aber auch viele Menschen nahmen zum ersten Mal Kontakt zur Suchtberatungsstelle auf, da in der Zwischenzeit die Probleme mit dem Suchtmittel gestiegen waren. Die Meisten haben Schwierigkeiten mit Alkohol, wobei das Anliegen ganz unterschiedlich ist: während der Eine erst einmal herausfinden möchte „wie schlimm“ es bei ihm schon ist, will der Nächste nur seinen Führerschein zurück und ein Anderer hat gemerkt, dass er immer wieder die Kontrolle über den Alkoholkonsum verliert oder Entzugserscheinungen wie Schwitzen, Herzrasen, Schlaflosigkeit und Zittern hat.
Auffällig wurde auch, dass bislang in diesem Jahr mehr Menschen wegen Problemen mit Glücksspiel eine Beratung aufgenommen haben als im Vorjahreszeitraum. Sie berichten von der Corona-Pandemie als „Fluch und Segen“. Einerseits waren die Spielhallen und Imbisse mit Automaten wochenlang geschlossen, so dass der übliche Weg zum Spielen um Geld unmöglich wurde. Daraus entstand für einige die Motivation langfristig etwas zu verändern oder zu begreifen, dass das Glücksspielen die Kontrolle über ihr Leben übernommen hatte. Andererseits waren die geschlossenen Spielhallen eine einfache Einladung, den derzeit viel beworbenen Online-Casinos zu folgen und dort noch einfacher, jederzeit und bequem vom Sofa aus, um Geld zu spielen. Dies führte zum Teil zu einer rasenden Verschlimmerung der Problematik.
Alle Fragen und Anliegen bezüglich dem Suchtmittelkonsum können telefonisch oder per Mail (0345 2178138 oder suchtberatung@stadtmission-halle.de) sowie, zum Glück wieder persönlich, nach einer kurzen Aufnahme in den offenen Sprechstunden (dienstags 13-17Uhr und freitags 10-12Uhr) und dann in weiteren Gesprächen mit dem Bezugsberater geklärt werden. Natürlich vertraulich, kostenlos und individuell, auf Wunsch auch anonym. Die Beratung kann auch durch Angehörige in Anspruch genommen werden. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Suchtmittelkonsum sind vielfältig und die langfristigen Auswirkungen noch nicht abzusehen. Das Team der Suchtberatungsstelle passt sich den aktuellen Herausforderungen an und wird weiterhin den Hilfesuchenden beiseite stehen.